Im Alltag vieler Medizinischen Fachangestellten (MFA) gibt es kaum eine ruhige Minute: Das Telefon klingelt zum 100. Mal, ein ungeduldiger Patient nörgelt, und dann braucht auch noch der Chef eine Info, am besten sofort. Je nach Umfrage fühlen sich zwischen 60 und 90 Prozent der MFA in niedergelassenen Praxen gestresst. Die gute Nachricht ist: Mit Veränderungen im Job und eigener Initiative lässt sich Stress zwar nicht ganz vermeiden, aber reduzieren. Dabei können Kurse und Fortbildungen helfen.
Die Arbeit nimmt kein Ende,viele MFA arbeiten am Limit. Sie erledigen verschiedene Aufgaben gleichzeitig, was kontraproduktiv ist. Denn Multitasking führt zu mehr Fehlern und zusätzlichem Stress. Je häufiger man abgelenkt wird und je größer der Zeitdruck ist, desto mehr leidet die Konzentration. Auch freundlich zu bleiben fällt dann schwerer.

Kaum Zeit für Patientenbetreuung
Für die hohe Arbeitsbelastung gibt es viele Gründe. So führt der Fachkräftemangel unter anderem dazu, dass sich immer weniger Angestellte um eine wachsende Zahl von Patienten kümmern müssen. Viele MFA klagen über eine kaum zu bewältigende Aufgabenfülle, wachsende Dokumentationspflichten, fehlende Wertschätzung und herausfordernde Patienten. Mehr und mehr gerät das Eigentliche ihres Berufs, nämlich die Patientenbetreuung, in den Hintergrund. Darüber hinaus wirken sich schlecht organisierte interne Abläufe und ungeklärte Zuständigkeiten sowie fehlende Kommunikation negativ aufs Team aus.
All das bleibt nicht ohne Folgen: In einer stressigen Atmosphäre fühlen Beschäftigte sich unwohl, fallen krankheitsbedingt aus und das Betriebsklima verschlechtert sich. Am Ende wandern MFA womöglich in andere Bereiche des Gesundheitswesens ab oder scheiden frühzeitig aus dem Arbeitsleben aus.
Positiver und negativer Stress
Dabei kann Stress durchaus positiv sein. In Prüfungssituationen kann er beispielsweise die Leistungsfähigkeit verbessern. Charakteristisch für diesen akuten Stress ist, dass er sofort wieder abklingt. Dauerhafter Stress dagegen, der über Wochen, Monate oder Jahre anhält, ist ungesund. Mögliche Folgen sind beispielsweise Schlafstörungen, Magenprobleme oder Bluthochdruck. Außerdem wird das Immunsystem geschwächt, sodass man anfälliger für Infektionen und chronische Erkrankungen wird. Menschen, die dauerhaft unter Stress stehen, entwickeln zudem eher psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen.
Aufs Qualitätsmanagement kommt es an
Um Stressoren in der Praxis zu minimieren, lässt sich an mehreren Stellschrauben drehen. Besonders wichtig ist dabei die Organisation der internen Abläufe, die mithilfe eines guten Qualitätsmanagements (QM) optimiert werden kann. QM zielt darauf ab, Arbeitsabläufe sorgfältig zu überprüfen, um Fehler und Risiken ausfindig zu machen. Im Zuge dessen gilt es, daraus zu lernen und Verbesserungen einzuführen, sodass die Behandlungsqualität steigt. Was eine Praxis verbessern kann, hängt unter anderem von ihrer Größe und Fachrichtung ab.
Wie ein QM-System erfolgreich eingeführt und umgesetzt werden kann, beschreibt die QM-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. In vielen verschiedenen Schulungen, die in Präsenz oder digital durchgeführt werden, können Ärzte und MFA ihr QM-Wissen aktualisieren, Schwachpunkte in ihrer Praxis erkennen und Verbesserungen vorschlagen beziehungsweise einführen.
Von einem guten QM profitiert das gesamte Praxis-Team, weil dadurch alle ein besseres Gespür für die täglichen Anforderungen ihrer Kolleginnen entwickeln können. Fest steht auch, dass standardisierte Abläufe und Protokolle sowie verbindliche Regeln, zum Beispiel für Termin- und Rezeptwünsche, die Arbeit aller erleichtern. Entlastend können zudem digitale Telefonassistenten sein, die Telefonate entgegennehmen und Informationen erfassen.

Konflikte rechtzeitig ansprechen
Zum besseren gegenseitigen Verständnis tragen regelmäßige Teambesprechungen bei. In diesen können Fragen wie „Wer braucht Unterstützung?“ oder „Wer kann etwas am besten?“ geklärt werden. Zudem sind gemeinsame Termine eine gute Gelegenheit, um Probleme frühzeitig anzusprechen. Allerdings weiß man nicht immer, wie man ein schwieriges Thema am besten anspricht, ohne andere vor den Kopf zu stoßen. Doch der Umgang mit Konflikten im medizinischen Umfeld lässt sich erlernen und optimieren. Hilfreich kann dabei zum Beispiel diese Videoschulung sein. Unterm Strich zahlt sich eine offene Kommunikationskultur in jeder Hinsicht aus, denn sie schafft eine stärkere Gemeinschaft, in der sich alle mehr gegenseitig unterstützen.
In Bezug auf die Arbeitszufriedenheit spielen auch Freiräume eine nicht zu unterschätzende Rolle. Warum sollte der Chef beispielsweise keine Möglichkeit zum Home-Office schaffen, wenn sich bestimmte Verwaltungsaufgaben zu Hause erledigen lassen? Ein angemessenes Gehalt und positives Feedback motivieren die Angestellten außerdem und verbessern das Betriebsklima.
Was kann jede MFA tun?
Abgesehen von der Organisation innerhalb der Praxis kann jede einzelne MFA versuchen, ihren Stresspegel niedrig zu halten. Einer der vielen Ansatzpunkte dafür ist Priorisieren: Anfallende Aufgaben sollten nacheinander statt parallel abgearbeitet werden. Ein weiterer Ratschlag ist, regelmäßige Pausen einzulegen, kurze Atemübungen zu machen und kleine Bewegungseinheiten zu absolvieren, um neue Kraft zu tanken. Und ein dritter einfacher Hinweis: Ungeduldige Patienten lassen sich oft mit Transparenz besänftigen. Dazu muss man ihnen erklären, wie was in der Praxis geregelt ist. Auch ein Hinweisschild mit einer wichtigen Information auf der Theke kann hilfreich sein.
Schulungen zum Stressabbau
Darüber hinaus gibt es ein großes Angebot an Fortbildungen, die komplexere Methoden vermitteln, um das individuelle Stressmanagement zu stärken. Spezielle Seminare für MFA bieten einige Ärztekammern, der Verband medizinischer Fachberufe, Hausärzteverbände und viele andere Institutionen an. So stehen bei einer Online-Fortbildung des Hausärzteverbandes Nordrhein unter anderem die „5-Minuten-Tankstelle im Praxisalltag“, Stressmanagement und gezielte Entspannungsübungen auf dem Programm. Stress lässt sich auch durch progressive Muskelentspannung, Achtsamkeitstraining oder Yoga abbauen. Mit der Klopftechnik PEP werden Ängste und emotionale Blockaden schnell und nachhaltig gelöst. Dafür wird das Klopfen bestimmter Akupunkturpunkte am Körper mit psychologischen Verfahren kombiniert.
Letztlich muss jeder die für sich passende Technik aus dem großen Angebot finden. Am besten so frühzeitig wie möglich, damit Stress gar nicht erst überhandnimmt.

Beitrag von Lisa von Prondzinski
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