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Multiple Sklerose: Frühe Diagnose zählt 

Wer heute die Diagnose Multiple Sklerose – kurz MS – erhält, wird nicht zwangsläufig zum Pflegefall. Zwar ist die Autoimmunerkrankung nach wie vor nicht heilbar, doch im Vergleich zu den 1990er-Jahren gibt es wirksamere Therapien, die den Krankheitsverlauf deutlich abmildern. Dennoch bleibt die Diagnose eine Herausforderung. Denn die Vielzahl möglicher Symptome macht es Ärzten oft nicht leicht, MS frühzeitig zu erkennen.  

Bei MS, auch Encephalomyelitis disseminata genannt, handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. Betroffen sind das Gehirn und das Rückenmark. Das Immunsystem greift die sogenannten Myelinscheiden an, die die Nervenfasern schützen. Es kommt zu Entzündungen an den Nervenzellen, wodurch die Signalübertragung zwischen ihnen gestört wird. Verschiedene neurologische Beschwerden können die Folge sein. Die Erkrankung hinterlässt im Nervengewebe zahlreiche verhärtete Narben, daher der Name „Multiple Sklerose“.  

Quelle: /lexiconimages, stock.adobe.com

Was sind die Ursachen? 

Allein in Deutschland leben nach Angaben der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft rund 280.000 MS-Erkrankte. Vor allem trifft es junge Erwachsene zwischen 20 und 40 Jahren, doch grundsätzlich kann jeder erkranken. Frauen sind zwei- bis dreimal so häufig betroffen wie Männer.  

Die Ursachen dieser Autoimmunerkrankung sind noch nicht vollständig geklärt. Es scheint, als sei ein Zusammenspiel vieler verschiedener Faktoren ausschlaggebend. Diskutiert werden Umweltfaktoren wie virale Infektionen (zum Beispiel durch das Epstein-Barr-Virus), Rauchen, Vitamin-D-Mangel und Fehlernährung. Außerdem können genetische Faktoren eine Rolle spielen, wobei MS nicht direkt vererbt wird, doch eine genetische „Neigung“ kann das Risiko erhöhen.  

Vielfältige Symptome  

Da MS bei jedem Menschen anders verläuft, wird sie oft als „Krankheit mit den 1.000 Gesichtern“ bezeichnet. Die ersten Anzeichen sind häufig unspezifisch und werden leicht übersehen. Zu den typischen Frühsymptomen zählen: 

  • spastische Lähmungen und Koordinationsstörungen, meist zunächst in den Beinen 
  • Gefühlsstörungen wie Taubheitsgefühle oder „Ameisenkribbeln“ an Armen, Beinen oder am Rumpf 
  • Bei vielen Betroffenen tritt als erstes Symptom eine Sehstörung auf; zum Beispiel ein Ausfall im Zentrum des Blickfelds, verschwommenes Sehen oder Doppelbilder. 
  • allgemeine Mattigkeit, schnelle Ermüdbarkeit und Konzentrationsstörungen 

Diese Beschwerden können einzeln oder gemeinsam auftreten und verschwinden manchmal nach einigen Tagen oder Wochen wieder. Zu beachten ist: Nicht jedes dieser Symptome weist zwangsläufig auf MS hin. 

Im weiteren Verlauf kann die Erkrankung weitere Beschwerden verursachen, die einzeln oder in Kombination auftreten können. Beispielsweise können Lähmungen im Gesicht, dauerhafte Störungen beim Sprechen oder in der Koordination auftreten. Zudem entwickeln viele Betroffene Blasenfunktionsstörungen oder leiden unter depressiven Symptomen wie Traurigkeit und Schlaflosigkeit. 

Unterschiedliche Verläufe 

MS ist eine Erkrankung mit vielen Gesichtern, und ebenso unterschiedlich sind ihre Verläufe. In den meisten Fällen beginnt die Krankheit schubförmig: Es treten akute Krankheitsschübe auf, zwischen denen sich die Symptome teilweise oder ganz zurückbilden. Bis zum nächsten Schub können Wochen oder sogar Jahre vergehen.  

Doch nicht immer verläuft MS in Schüben. Bei einem Teil der Betroffenen schreitet die Erkrankung kontinuierlich voran, ohne dass erkennbare Schübe auftreten. Diese Verlaufsform wird als primär progrediente MS bezeichnet. Bei anderen Patienten wiederum geht die schubförmige Verlaufsform in eine fortschreitende über. 

Während früher viele Patienten nach 20, 30 Jahren ihre Gehfähigkeit verloren haben, lässt sich dies heute in den meisten Fällen verhindern. Dennoch hält sich in Teilen der Öffentlichkeit hartnäckig das Vorurteil, MS führe zwangsläufig in den Rollstuhl. Tatsächlich verläuft die Erkrankung nur bei einem kleinen Teil der Betroffenen besonders aggressiv und geht mit starker Behinderung einher. Viele andere bleiben, vor allem mit medizinischer und sozialer Unterstützung, weitgehend mobil  und fühlen sich durch die Krankheit kaum beeinträchtigt.  

Quelle: /New Africa, stock.adobe.com

Fortschritte bei der Behandlung 

Eine MS ist zwar nicht heilbar, doch die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Für die Behandlung stehen über 20 verschiedene Substanzen zur Verfügung, die den Verlauf abschwächen, akute Symptome und Krankheitszeichen verhindern und Schübe verkürzen sollen. Die Prognose für jeden einzelnen Patienten hängt unter anderem vom Verlaufstyp, dem Alter beim Ausbruch der Krankheit ab und davon, wie er auf eine bestimmte Behandlung anspricht. Auch die Lebenserwartung von MS-Erkrankten hat sich spürbar erhöht. Nach aktuellen Daten einer großen finnische Studie ist sie heute im Durchschnitt nur noch um etwa sieben Jahre verkürzt.  

Zudem gibt die laufende MS-Forschung mehr Hoffnung: Neue Wirkstoffe wie Tolebrutinib könnten bald eine bessere Behandlung von Patienten mit progredienter MS ermöglichen. Gleichzeitig ebnen neue Erkenntnisse aus der Immunologie den Weg für individuellere Therapien. Das aktuelle Therapieschema hat die Deutsche Gesellschaft für Neurologie in ihren Leitlinien zur Diagnose und Therapie der MS festgelegt.  

Komplexe Diagnose

Eine frühe Diagnose ist besonders wichtig, denn je schneller MS erkannt wird, desto besser lassen sich die Weichen für einen günstigeren Verlauf stellen. Vor der endgültigen Diagnose müssen zahlreiche andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, die ähnliche Beschwerden verursachen können. Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen zählen unter anderem Neuromyelitis optica Spektrum Erkrankungen (NMOSD), MOG-Antikörper assoziierte Erkrankungen (MOGAD), oder auch Migräne mit Aura. Die Diagnose einer MS erfolgt durch eine Kombination aus Krankengeschichte, neurologischer Untersuchung, Liquor-Untersuchung und bildgebenden Verfahren wie dem MRT.  

Einen fundierten Überblick über Ätiologie, Diagnostik und Therapie sowie aktuelle Erkenntnisse der Multiplen Sklerose vermittelt der Kurs „Erfolgreich diagnostizieren und therapieren„. Buchbar ist er bei der Akademie des Deutschen Ärzteverlags.  

Quelle: /Pcess609, stock.adobe.com

Beitrag von Lisa von Prondzinski

Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir zumeist das generische Maskulinum. Gemeint sind selbstverständlich stets Personen jedweden Geschlechts.

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