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Wenn Essen zum Feind wird

Für viele Menschen ist Essen ein Stück Lebensfreude. Doch für andere wird genau das zum täglichen Kampf: Wer an einer Essstörung leidet, verliert nach und nach die natürliche Beziehung zur Nahrung und Körper. Betroffen sind Erwachsene, Teenager, Kinder und deutlich häufiger Frauen als Männer. Alarmierend ist: Die wegen einer Essstörung stationär behandelten Patientinnen sind deutlich jünger geworden. Eine Therapie gelingt meist nur im Zusammenspiel verschiedener medizinischer und therapeutischer Fachrichtungen.  

Eine Essstörung ist eine psychogene Störung, die sich auf die Nahrungsaufnahme und das Körpergewicht bezieht. Man kann sie also nicht einfach mit Medikamenten behandeln. Betroffene beschäftigen sich über längere Zeit oft zwanghaft mit ihrem Körper, und das Thema „Essen” wird zum Lebensinhalt. Schule, Arbeit, Beziehungen und Freizeit treten in den Hintergrund. Essstörungen treten in unterschiedlichen Formen auf. Neben der bekannten Magersucht (Anorexia nervosa) sind auch die Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa) und das exzessive, übermäßige Essen (Binge-Eating-Störung) weit verbreitet. Die verschiedenen Formen können sich überlappen: Phasen strengen Hungerns wechseln sich mit unkontrollierbaren Essattacken ab. 

Quelle: / Davizro Photography, stock.adobe.com

Viel mehr junge Patientinnen

Laut KKH Kaufmännische Krankenkasse haben Mediziner im Jahr 2023 bei fast 460.000 Menschen in Deutschland eine Essstörung diagnostiziert. 7,5 Prozent davon waren Mädchen im Alter von zwölf bis 17 Jahren, die meisten von ihnen litten an Magersucht. Besorgniserregend ist eine Veränderung in der Altersstruktur der stationär behandelten Fälle: Während im Jahr 2003 noch 3.000 Mädchen und junge Frauen im Alter von zehn bis 17 Jahren wegen einer Essstörung ins Krankenhaus eingewiesen werden mussten, sind es zwanzig Jahre später 6.000. Dies entspricht etwas mehr als der Hälfte aller mit einer solchen Diagnose stationär behandelten Fälle, wie das Statistischen Bundesamt angibt.  

Gefahr für junge Mädchen: TikTok, Insta und Co.

Die Ursachen für diese ernsthafte psychische Erkrankung sind vielschichtig, doch einige Risikofaktoren treten immer wieder auf. Es sind vor allem ein geringes Selbstwertgefühl, Perfektionismus, überhöhte Ansprüche an den eigenen Körper und gesellschaftliche Schönheitsideale, die tief verinnerlicht sind. Hinzu kommt der wachsende Einfluss sozialer Medien beziehungsweise deren intensive Nutzung. Auf Plattformen wie TikTok, Instagram oder YouTube erzählen unzählige junge Frauen ihre vermeintliche „Reise zum perfekten Körper“. Was harmlos klingt, wirkt für viele Heranwachsende wie ein Brandbeschleuniger. Der digitale Druck, perfekt zu sein, nimmt stetig zu, warnen Fachleute. Besonders junge Mädchen mit unsicherem Selbstbild vergleichen sich mit den scheinbar makellosen Vorbildern und beginnen womöglich, ihren Körper zu manipulieren. 

Das Umfeld sollte genau hinschauen

Wer genau hinsieht, kann die Warnsignale einer Essstörung oft früh erkennen: Plötzliche Gewichtsschwankungen, das strikte Meiden bestimmter Lebensmittel, Rückzug bei gemeinsamen Mahlzeiten oder ein auffällig kontrolliertes Essverhalten sind erste Hinweise. Mögliche körperliche Folgen sind hormonelle Entgleisungen, Muskelschwäche, Herzrhythmusstörungen und im schlimmsten Fall endet die Krankheit tödlich. 2023 starben in Deutschland 78 Menschen an den Folgen einer Essstörung. Auch die Schwere der Erkrankung zeigt sich in der Dauer der Behandlung, denn während ein durchschnittlicher Krankenhausaufenthalt rund sieben Tage dauert, bleiben Betroffene mit Essstörungen über 50 Tage in stationärer Therapie. 

Quelle: /StratfordProductions, stock.adobe.com

Ärzte als Wegweiser

Je früher Hilfe gesucht wird, desto besser sind die Chancen auf Heilung. Mit professioneller Unterstützung und Geduld kann ein gesundes Verhältnis zu Essen und zum eigenen Körper aufgebaut werden. Oft sind Hausärzte und Kinder- und Jugendmediziner die ersten Ansprechpartner für Betroffene oder Angehörige. Sie führen erste Untersuchungen durch und klären über Risiken auf. Doch ihre Rolle geht weit über die medizinische Kontrolle hinaus. Ärzte motivieren, stabilisieren und leiten die nächsten Schritte ein, wie etwa den Kontakt zu Psychotherapeuten oder Ernährungsberater. Systematisch entwickelte Informationen finden Ärzte in den Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Essstörungen.

MFA sind nah dran an Patienten

Auch medizinische Fachangestellte (MFA) spielen in der Behandlung von Essstörungen eine wichtige Rolle. Durch ihre Nähe zu den Patienten sowie ihre aufmerksame Beobachtung nehmen sie oft erste Veränderungen wahr. Sie wirken durch ihre Rückmeldungen an die Behandler aktiv am Behandlungsprozess mit. Um sicher und kompetent handeln zu können, ist fundiertes Wissen entscheidend. In Fortbildungen, wie sie unter anderem die Akademie des Deutschen Ärzteverlages anbietet, lernen MFA und andere medizinische Fachkräfte, die Ursachen, Symptome und Therapieformen von Essstörungen besser zu verstehen. Auch der Einfluss sozialer Medien auf Körperbild und Essverhalten wird dort thematisiert. 

Stark im multiprofessionellen Netzwerk

Damit Betroffene wieder gesund werden können, gibt es eine enge Vernetzung zwischen Medizinern und anderen Berufsgruppen. Psychotherapeuten helfen dabei, seelische Konflikte zu verstehen und zu bewältigen, Ernährungsberater unterstützen beim Wiedererlernen eines ausgewogenen Essverhaltens. Abhängig vom Schweregrad werden ambulante und teilstationäre Therapieformen kombiniert. Entscheidend ist es, realistische, kleinschrittige Ziele zu vereinbaren. So lassen sich Rückschläge auffangen, ohne eine Überforderung zu riskieren. 

Der Weg aus einer Essstörung ist selten geradlinig, aber möglich, eben wenn die Zeichen rechtzeitig erkannt werden. Der Heilungsprozess kann viele Monate oder sogar Jahre dauern. Fest steht: Je früher eine Behandlung beginnt, desto größer ist die Chance auf Genesung.  

Letztlich muss jeder die für sich passende Technik aus dem großen Angebot finden. Am besten so frühzeitig wie möglich, damit Stress gar nicht erst überhandnimmt.

Quelle: /LIGHTFIELD STUDIOS, stock.adobe.com

Beitrag von Lisa von Prondzinski

Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir zumeist das generische Maskulinum. Gemeint sind selbstverständlich stets Personen jedweden Geschlechts.

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