Wenn eine Änderung des Lebensstils oder die Einnahme von Tabletten bei Typ-2-Diabetes nicht ausreicht, wird eine Insulintherapie erforderlich. Inzwischen gibt es Alternativen zu starren Therapiekonzepten. Ein flexibler Ansatz ist das „Frankfurter Modell”, das eine individuelle Behandlung ermöglicht.
Diabetes mellitus zählt in den Industrieländern zu den häufigsten Volkskrankheiten. Man unterscheidet die beiden Hauptformen Typ 1 und Typ 2: Typ-1-Diabetes entsteht meist im Kinder- und Jugendalter. In Deutschland leben damit etwa 350.000 Menschen. Typ-2-Diabetes wird dagegen vor allem bei Erwachsenen diagnostiziert. Früher galt er als reine Alterskrankheit, doch das trifft inzwischen nicht mehr zu, da immer häufiger auch junge Erwachsene betroffen sind. Mindestens 8,9 Millionen Menschen haben einen diagnostizierten Typ-2-Diabetes. Diese Zahlen gehen aus dem Deutsche Gesundheitsbericht Diabetes 2024 hervor. Und die Prognose ist eindeutig: Die Zahl der Erkrankten wird weiter steigen.

Wie entstehen Typ-1- und Typ-2-Diabetes?
Beide Diabetes-Formen führen zwar zu erhöhten Blutzuckerwerten, allerdings basieren sie auf völlig verschiedenen Mechanismen. Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der die Bauchspeicheldrüse nicht mehr ausreichend Insulin produziert. Um den Blutzuckerspiegel zu senken, müssen Betroffene deshalb ihr Leben lang Insulin von außen zuführen.
Beim Typ-2-Diabetes dagegen nehmen die Körperzellen das Insulin zunächst immer schlechter auf. Es entsteht eine Insulinresistenz. Die Bauchspeicheldrüse versucht zwar, diesen Mangel auszugleichen, indem sie mehr Insulin produziert, doch mit der Zeit erschöpfen sich die insulinproduzierenden Zellen. Es kommt zu einem relativen oder sogar absoluten Insulinmangel.
Ursachen für Typ-2-Diabetes
Für die Entstehung von Typ-2-Diabetes sind verschiedene Risikofaktoren ausschlaggebend. Neben einer genetischen Veranlagung spielen vor allem eine ungesunde Ernährung, Übergewicht, zu wenig Bewegung und Rauchen eine entscheidende Rolle. Das Heimtückische an dieser Krankheit ist, dass sie sich meist schleichend und ohne auffällige Symptome entwickelt. Schätzungsweise zwei Millionen Menschen leben unerkannt damit. Bis zur ersten Diagnose vergehen oft Jahre.
Unspezifische Symptome
Zu den häufigsten unspezifischen Symptomen zählen mitunter Durst, häufiges Wasserlassen, Müdigkeit, Antriebsschwäche, Übelkeit und Schwindel. Oft bemerken Betroffene diese Symptome jedoch nicht oder schreiben sie anderen Ursachen zu. Unbehandelt können hohe Blutzuckerwerte allerdings langfristig Blutgefäße, Nerven, Nieren und Augen schädigen. Dann steigt das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Wird Typ-2-Diabetes jedoch frühzeitig erkannt, können viele Patienten ihren Diabetes allein durch eine Ernährungsumstellung, Gewichtsabnahme und mehr Bewegung in den Griff bekommen.
Stufenweise Behandlung
Die Behandlung von Typ-2-Diabetes erfolgt stufenweise. Reichen Änderungen des Lebensstils nicht aus, wird eine medikamentöse Therapie eingeleitet. In späteren Stadien ist die Gabe von Insulin notwendig. Doch vielen Patienten fällt es schwer, sich daran zu gewöhnen und die Insulingabe dauerhaft in ihren Alltag zu integrieren.
Für Typ-2-Diabetiker gibt es nur wenige eigens entwickelte Therapiekonzepte. Oft werden Konzepte, die ursprünglich für Typ-1-Diabetiker entwickelt wurden, auf Typ 2 übertragen. Ein Beispiel ist die intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT), die Patienten im Krankenhaus standardmäßig verordnet wird, da aufgrund der kurzen Verweildauer und aus Zeitmangel keine detaillierte Differenzierung möglich ist. Die ICT eignet sich gut für Patienten, die überhaupt kein eigenes Insulin mehr produzieren. Doch die allermeisten Typ-2-Diabetiker produzieren noch etwas davon.

ICT-Therapie versus Frankfurter Modell
Bei der ICT sind in der Regel mehrere Insulininjektionen pro Tag notwendig. Meist wird einmal oder zweimal Basalinsulin verabreicht, um den Grundbedarf an Insulin zu decken. Zusätzlich wird vor jeder Mahlzeit ein schnell wirksames Insulin (Bolusinsulin) gespritzt. Vor allem im Krankenhaus wird wegen der kurzen Verweildauer und des Zeitmangels standardmäßig eine ICT verordnet. . Inzwischen gibt es jedoch innovative Therapien, die vielen Betroffenen den Alltag deutlich erleichtern können.
Einen sanfteren Einstieg bietet die Behandlung mit Intermediärinsulin, das auch als NPH-Insulin bezeichnet wird. Dabei spritzen die Patienten nur vor dem Schlafengehen Insulin. Tagsüber nehmen sie weiterhin orale Antidiabetika. Dieses Therapiekonzept wird auch Frankfurter Modell genannt, da es von Medizinern aus Frankfurt am Main entwickelt wurde. Allerdings funktioniert es nicht bei allen Patienten. Rund 20 Prozent der Patienten müssen zusätzlich tagsüber geringe Insulindosen spritzen.

Patienten profitieren
Das Frankfurter Modell ist alltagstauglicher: Betroffene müssen ihre Insulindosis nicht vor jeder Mahlzeit berechnen und das häufige Blutzuckermessen entfällt. Da keine Unterzuckerung entsteht, treten auch keine Heißhungerattacken auf und den Patienten fällt es leichter, abzunehmen. Zudem ist dieses Therapiekonzept weniger komplex, sodass der Schulungsaufwand geringer ist. Gerade für Berufstätige oder Menschen mit einem unregelmäßigen Tagesablauf kann das Frankfurter Modell besonders geeignet sein.
Interaktiver E-Learning-Kurs: Therapie-Eskalation und -Deeskalation bei Typ-2-Diabetes
Diese Vorteile machen das Frankfurter Modell zur Behandlung von Typ-2-Diabetes attraktiv. Doch wann ist es tatsächlich angebracht? Wann ist eine Therapie-Eskalation und wann eine -Deeskalation notwendig? Zu diesem Thema bieten wir Ärzten und medizinischem Fachpersonal einen CME-zertifizierten E-Learning-Kurs an. Darin erfahren die Teilnehmenden, wie sie eine individualisierte Insulintherapie zum Wohle ihrer Patienten sicher und effektiv gestalten können.
Beitrag von Lisa von Prondzinski
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